Was ist eigentlich ein Wunder? Nun. Für diesen Artikel reicht es bereits aus, auf die Definition aus Wikipedia zu schauen. Dort heißt es nämlich: „als Wunder gilt umgangssprachlich ein Ereignis, dessen Zustandekommen man sich nicht erklären kann, so dass es Verwunderung und Erstaunen auslöst. Es bezeichnet demnach allgemein etwas Erstaunliches und Außergewöhnliches.“

So erleben wir gleich zu Beginn unserer diesjährigen Auslandsreise nach Paraguay ein kleines Wunder. Am 20. Oktober um 17 Uhr sollen sich alle Sänger, Musiker und Begleiter des Chores am Flughafen Frankfurt einfinden. Von da aus geht es nämlich mit einer Zwischenlandung in Madrid in die Hauptstadt Paraguays nach Asunción. Doch zum vereinbarten Zeitpunk scheint etwa ein Drittel der 65 Personen in Frankfurt nicht angekommen zu sein. Schnell bekommen wir mit, dass die Sänger aus Porta Westfalica, die mit der Bahn anreisen aufgrund von Zugverspätungen ihr Ziel nicht pünktlich erreichen werden. Schlimmer noch, insgesamt verspätet sich der Zug um rund 2 Stunden. Die Check-In Schalter am Flughafen Frankfurt haben eigentlich bereits geschlossen und auch das Boarding sollte laut Plan schon abgeschlossen sein, doch etwas Erstaunliches und Außergewöhnliches passiert im Ablauf der Abflugvorbereitungen, so dass die Gruppe der Nachzügler es noch schafft einzuchecken und an Board zu kommen. Mit einer 45-minütigen Verspätung verlässt unser Flieger den Flughafen mit allen Passagieren an Board.

Der Flug verläuft unspektakulär, jedoch nach Ankunft in Asunción bekommen 15 der Sänger ihr Gepäck nicht. Laut der Fluggesellschaft sei es wohl in Europa geblieben. So bleibt den Betroffenen nichts anderes übrig als ihre Garderobe für die ersten Tage in Paraguay neu zu kaufen. Einigen sei es wohl schon mal passiert und man bleibt ziemlich gelassen.

Asunción

Unseren ersten Tag, Samstag, den 21. Oktober verbringen wir in der Mennoniten Gemeinde Concordia, wo wir von den Geschwistern herzlich aufgenommen werden. Die Gemeinde Concordia zählt etwa 400 Mitglieder. Die Kirche steht auf dem Gelände der Concordia Schule (Colegio Alemán Concordia). Es ist eine deutsch-mennonitische Schule, die im Jahre 1975 gegründet wurde, mit dem Ziel, eine ganzheitliche Schulbildung von hoher Qualität anzubieten, um junge Leute auszubilden, die aktiv an der Gestaltung der Gesellschaft beteiligt sind und sich von christlichen Werten leiten lassen.

Bereits nach der Ankunft stellt sich uns unweigerlich die Frage, wer diese Menschen sind, die weitab von Deutschland über Jahrhunderte hinweg sich darum bemühen ihre (platt)deutsche Identität zu definieren und zu erhalten.

Die Wunder von Paraguay

Mennoniten Gemeinde Concordia in Asunción.

Mennoniten haben ihren Ursprung in der Zeit der Reformation im 16. Jahrhundert. In Europa bildete sich eine Gruppe von radikalen Wiedertäufern. Diese lehnten die Kindertaufe ab und praktizierten die Glaubenstaufe der Erwachsenen. Aufgrund ihrer friedfertigen Lebenseinstellung verweigerten sie den Kriegsdienst und forderten die Trennung zwischen Kirche und Staat. Dies führte von Seiten des Staates, aber auch von der Kirche aus, zu Verfolgungen der Wiedertäufer, die eine Verteilung auf dem ganzen europäischen Kontinent zur Folge hatten. Der niederländische katholische Ex – Priester Menno Simons sammelte und festigte viele dieser verstreuten Täufer, die bald darauf „Mennoniten“ genannt wurden. Schon immer zeichneten sich die Mennoniten durch ihre Liebe zum Landleben aus, sie bearbeiteten das Land um ihre Familien zu ernähren. Auf den verschiedenen Wanderrouten seit dem 16. Jahrhundert bis heute, durchzogen sie unter anderem die Niederlande, Preußen, Russland, Kanada, die Vereinigten Staaten, Mexiko, Bolivien und Paraguay. Dabei bebauten sie immer wieder schwieriges Land, das manchmal unwirtschaftlich und unbewohnt war, und machten es fruchtbar. In all diesen Ländern suchten und festigten sie ihre Identität als Christen, Deutsche, Plattdeutsche – als Mennoniten.

Nicht von ungefähr scheint die Predigt von Eduard Reimer im Abendgottesdienst zu sein: „Identität – Wer bin ich“. Im Einleitungstext aus Matthäus 16,13-19 fragt Jesus seine Jünger, für wen die Menschen ihn halten. „Du bist der Christus, des lebendigen Gottes Sohn“ – antwortet Petrus. Und was ist unsere Identität? Wer sind wir? Sie ist in 1.Mose 1,27 definiert: Gott hat uns nach seinem Bild erschaffen. Durch den Sündenfall haben wir jedoch diese Identität verloren. Doch durch Jesus Tod am Kreuze wurde diese Identität wieder hergestellt. So heißt es in 2. Korinther 5,17 “Darum: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“

Auch am Sonntagmorgen stimmt die Predigt in die Geschichte der Mennoniten ein: „Geteiltes Leid, ist halbes Leid“. Auf ihren Wanderungen durch die Weltgeschichte haben die Mennoniten eine Menge Leid erleben müssen. “Was macht Leid mit Menschen“ – fragt Eduard Reimer – „Was trägt uns im Leid?“ Hiob hatte Gott kennen gelernt in seinem Leid (Hiob 42,5). Oft verstehen wir nicht, warum wir leiden müssen und glauben, Gott hätte uns verlassen. Doch denen, die Gott lieben, dienen alle Dinge zum Besten! – heißt es in Römer 8:28. Und nicht zuletzt ist Jesus derjenige, der am meisten gelitten hat und unser Leid ans Kreuz getragen hat (Jesaja 53,3-7). Er versteht zutiefst unser Leid und seine Auswirkungen, wie Hass, Kummer, Unsicherheit und er ist der Einzige mit dem wir unser Leid teilen sollen. Er versteht uns.

Es erfolgt ein Zuruf und wir danken Gott das einige Menschen ihr Leid mit Ihm teilen wollen. Mit dem Chor stimmen wir ein:

Gott versteht dich, wenn du rufst.
Er versteht auch, wenn du schweigst.
Gott versteht dich, wenn du rufst
Und deine leeren Hände zeigst.

Nach dem Sonntagsgottesdienst geht es nun weiter in die etwa 180 km entfernte Kolonie Friesland im Bezirk San Pedro. Wir fahren durch eine savannenartige Landschaft, die von vielen Termitenhügel auf roter Erde übersät ist. Palmen und kleine Sträucher verschönern die Szenerie. Hier und da erblicken wir kleinere Mandiocafelder. In den kleinen Siedlungen entlang der Straße, sehen wir Einheimische sitzen, die zur Mittagszeit im Schatten ihrer Häuser das traditionelle, paraguayische Getränk Tereré in geselliger Runde herumreichen.

Friesland

In Friesland angekommen, werden wir herzlich mit Kaffe und Gebäck von den Geschwistern der örtlichen Gemeinde empfangen. Danach werden wir den Gastfamilien zugeteilt und haben vor dem Abendgottesdienst noch ein wenig Zeit für eine kleine Siesta. Es ist ruhig draußen, sehr angenehm ruhig. Kein Verkehr, kein Industrielärm und kaum Menschen auf den nur zum Teil geteerten Straßen der Kolonie. Kein Internet, kein WLAN. Man hört nur Vogelgesang und das gemächliche Koh-koh-koh der Hühner. Hier kommt man runter und vergisst den stressigen, deutschen Alltag.

Die Wunder von Paraguay

Das Altenheim “Abendruh” in Friesland

Hier in Friesland bleiben wir vier Tage, bis zum 25. Oktober. In diesen Tagen haben wir die Gelegenheit jeden Abend einen Evangelisationsgottesdienst in der Mennoniten-Gemeinde durchzuführen. Tagsüber treffen sich Mitglieder des Männerchores in kleineren Gruppen um Programme in der örtlichen Schule oder im Altenheim durchzuführen. Einige besuchen einen schwer kranken Bruder der Gemeinde, um Trost zuzusprechen. Eine Gruppe Männer um Dietrich Willer fährt in die 70 km entferne Kolonie Volendam um im dortigen Altenheim einen kleinen Gottesdienst durchzuführen. Andere Brüder besuchen ein Gefängnis.

Neben dem geistlichen Programm haben wir die Gelegenheit die Organisation und Betriebe der Kolonie kennen zu lernen. Wir bekommen auch einen Einblick in das Programm „Covesap“, das dafür aufgesetzt wurde um Nachbarschaftshilfe bei den spanisch sprechenden Nachbarn von Friesland zu betreiben. Natürlich kommt auch Entspannung und Erholung nicht zu kurz – die einen genießen die paraguayische Sonne, die anderen spielen Volleyball.

Ein besonderes Erlebnis ist für uns die Besichtigung der Johannes Gutenberg Schule in dem 40 km entferntem Santani. Dort werden wir am Dienstagvormittag vom Direktor der Schule, Gert Siemens, aufs Herzlichste empfangen. Die Schüler der Musikklasse singen für uns einige Anbetungslieder und wir bekommen eine Präsentation und einen Rundgang durch die Schule.

Die J. Gutenberg Schule ist eine vom Erziehungsministerium anerkannte private christliche Schule. Ihr Ziel ist es u.a. von der Liebe Gottes durch Wort und Tat zu erzählen, indem sie bevorzugt Kindern aus benachteiligten Verhältnissen Schulbildung ermöglicht. Die Schüler erhalten eine integrale Ausbildung, um nützliche Bürger zu sein, die etwas zur Entwicklung des Landes und der im Reiche Gottes beitragen. Insgesamt lernen zur Zeit 465 Schüler, wovon 224 durch Stipendien unterstützt werden. Die meisten dieser Kinder stammen aus benachteiligten Verhältnissen und können sich den Schulbesuch selbst nicht leisten.

Erstaunt sind wir über den unermüdlichen Einsatz des Rektors, der Lehrkräfte und der Verwaltung der Schule, die sich das „Dienen“ zum Kredo gemacht haben. Wir bedanken uns für die Führung mit einigen Liedern, die wir im Hof der Schule vortragen und beten gemeinsam Gott an, der auch an diesem Ort Wunder vollbringt.

KM81 – Leprastation

Unsere Reiseroute

Unsere Reiseroute. Den Ort Tres Palmas haben wir aufgrund des strömenden Regens leider nicht erreichen können.

Früh morgens am 26. Oktober geht es dann weiter Richtung Osten mit einem Zwischenstop am KM81 – an der Leprastation. Die Leprastation ist ein von Mennoniten gegründetes und geführtes Krankenhaus (Zusammenschluss von 32 deutschsprachigen mennonitischen Gemeinden in Paraguay), das schon seit fast 70 Jahren in der Prärie Paraguays sich um die Kranken und primär um Lepra-Erkrankte kümmert. Wir sind tief beeindruckt von der Arbeit, die die Geschwister an diesem Ort vollbringen. Während uns das Krankenhaus vorgestellt wird und wir einen Rundgang über das Gelände und die einzelnen Einrichtungen machen, staunen wir immer wieder über das Wunder der Nächstenliebe. Mit einer kleinen Andacht und einem gemeinsamen Mittagessen schließen wir unseren Besuch ab und machen uns weiter auf den Weg in Richtung der Kolonie Sommerfeld und Tres Palmas.

Begleitet werden wir vom strömenden Regen. Wir erfahren, dass die Wege zur Kolonie Tres Palmas aufgrund dessen unpassierbar sind und somit ändern wir unseren Plan und steuern direkt die Kolonie Sommerfeld an. Der strömende Regen macht uns auch bei weiteren Plänen für diesen Tag einen Strich durch die Rechnung. Geplante Proben fallen aus und so verbringen wir den Abend bei den Gastfamilien in gemütlichen Runden und reichen uns abwechselnd die Guampa mit gewürztem Mate-Tee. Wir bekommen mit, wie die Gastfamilien für das „schöne Wetter“ danken, für diesen Regen also, der unsere Pläne durcheinander wirft. Doch bei Dürreperioden oder Trockenzeiten von mehreren Monaten in diesen Gegenden, ist so ein Regen für die Einheimischen auf jeden Fall ein Segen.

Sommerfeld

Die Kolonie Sommerfeld ist entlang der Fortführung der Routa Dos (Schnellstraße 2) im Bezirk Caaguazú gelegen. Zu der einen Seite ist das Land der Ortschaft Campo Nuevo und zu der anderen Seite die Siedlungen und Ländereien der Kolonie Sommerfeld. Entlang der Straße haben mennonitische Geschäftsleute ihre Betriebe, Werkstätten und Kaufläden aufgebaut. Einer der größten Arbeitgeber der Kolonie ist der Betrieb Lactolanda. Mit seinen rund 700 Mitarbeitern und einem Marktanteil von 41% ist es der größte Milchverarbeitungsbetrieb des Landes. Wir bekommen eine Führung durch die Hallen der Anlage und einen kleinen Einblick in die Prozesse. Die Besichtigung beenden wir mit einer Runde leckeren Softeis im hauseigenem Café.

Die Wunder von Paraguay

Die rote Erde von Sommerfeld.

Nach der Chorprobe am Abend genießen wir den Abendgottesdienst. Eduard Reimer predigt über das Thema „Religion – außen hui, innen pfui?“. Es gibt Christen, die nach außen hin ein wirklich frommes und religiöses Leben führen, wie es einst der Hauptmann Kornelius tat (Apg. 10,1-7). Indem sie stets darum bestrebt sind Gott durch Einhalten von Geboten zu gefallen, leben sie nur eine Religion, was letztlich wie das Hochsteigen auf einer unendlichen Leiter zum Himmel ohne jemals das Ziel zu erreichen, ist. Doch die eigentliche Rettung ist in Jesus – das ewige Leben hat der, der an ihn glaubt (Joh. 3, 14-16).

Auch wenn am Ende des Gottesdienstes wir in ein wenig zurückhaltende oder sogar etwas distanzierte Gesichter schauen, beten wir zu Gott um die Segnungen für diese Gemeinde, die wir bereits schon im nächsten Abendgottesdienst erleben. Eduard Reimer predigt zum Thema „Freiheit“ nach dem Bibeltext Joh. 8, 34-36. Es erfolgt ein Zuruf und es kommen einige Menschen nach vorn, um ihr Leben mit Gott in Ordnung zu bringen oder um einfach ein seelsorgerisches Gespräch zu suchen. Wir danken Gott für das Wunder seiner Gnade! Auch am Sonntag nach dem Vormittagsgottesdienst sehen wir, wie Gott an den Sommerfeldern arbeitet und wir dürfen erneut einige Bekehrungen miterleben.

Bergthal

Am Sonntagabend werden wir in die etwa 25km entlegene Kolonie Bergthal zur Kirche „Neues Leben“ gebracht. Es regnet in Strömen, die Straßen sind kaum passierbar, doch wir erreichen unser Ziel rechtzeitig. Der ansässige Pastor eröffnet den Gottesdienst in Plattdeutsch, was in dieser Kolonie scheinbar fast ausschließlich gesprochen wird.  Andreas Neufeld erzählt das Zeugnis über sein Leben als Schiedsrichter und Eduard Reimer predigt zum Thema „Religiosität“. Wir beten um Gottes Segen und um sein Wirken auch in dieser Kolonie. Und auch hier lässt Gott nicht lange auf sich warten. Schon im nächsten Abendgottesdienst und zugleich unserem letzten in Paraguay, bekehren sich Menschen zu Gott!

Itaipu Staudamm und Iguazú Wasserfälle

Die Wunder von Paraguay

Die Iguazú-Wasserfälle.

Am nächsten Tag verlassen wir die deutschen Kolonien und fahren weiter Richtung Osten zum Dreiländereck Paraguay-Argentinien-Brasilien. Kurz vor der Ankunft machen wir noch einen Abstecher zu dem Staudamm „Itaipu”, welches bis 2006 das größte Kraftwerk der Erde war. Beim Betrachten der kolossalen Betonwände, der riesigen Turbinen, den unendlichen Wassermassen kommen wir nicht aus dem Staunen heraus – ein Wunder der menschlichen Kraft und Fähigkeiten – ein Weltwunder.

Übertroffen werden diese Eindrücken nur noch von dem Wunder der Natur, von Gottes Schöpfung – den Iguazú Wasserfällen. Die Iguazú-Wasserfälle bestehen aus mehreren größeren sowie über 200 kleineren Wasserfällen, die sich auf einer Strecke von über 2km ausdehnen und einer Höhe, die z.T. 80 Meter übersteigt. Wir wandern ein Stückchen entlang der fallenden Wassermassen und danken Gott für seine Schöpfung.

Wir danken ihm für die Wunder der Gnade, Wunder der Nächstenliebe, Wunder seiner Macht und nicht zuletzt für die Wunder der Natur. Eine unvergessliche Reise geht zu Ende!

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Weitere Bilder zu dem Einsatz in Paraguay finden Sie in unserer Bildergalerie. Schauen Sie auch nach, wo unsere nächsten Termine statt finden. Beten Sie für uns!